re:publica 2015 – Nein, Sascha Lobo habe ich nicht gesehen

An der re:publica 2015 in Berlin

An der re:publica 2015 in Berlin

Die re:publica hat so ihre Galionsfiguren: Redner, welche jedes Jahr mit dabei sind, die zentralen Themen definieren und kurzweilige Sessions garantieren. Markus Beckedahl beispielsweise, der unermüdlich netzpolitische Themen zur Sprache bringt. Oder Gunter Dueck, der mit Witz und scharfem Verstand bequeme Wahrheiten hinterfragt. Oder Sascha Lobo, der Mann mit dem Irokesenschnitt, welcher der Netzgemeinde den Spiegel vorhält.

Dieses Jahr fehlte Sascha Lobo und seine «Rede zur Lage der Nation» im Konferenzprogramm. Das ist bemerkenswert, weil er an der re:publica 2014 einen flammenden Appell an die Netzgemeinde richtete, sich angesichts des Überwachungsskandals nicht bloss zu entrüsten, sondern sich auch politisch und finanziell zu engagieren. Dass er sich nun selbst nicht mehr engagieren mochte, darf man sicher als ein Zeichen der Enttäuschung werten. «Machen! Nicht nur reden.» sei für ihn das Gebot der Stunde, liess er sich in einem Interview mit WIRED zitieren. Und gemacht wurde aus seiner Sicht in den letzten zwölf Monaten wohl zu wenig angesichts des «digitalen Meteoriteneinschlags», als den er die Snowden-Enthüllungen sieht.

Politische Themen kamen dennoch nicht zu kurz an der re:publica. So lieferte beispielsweise die beiden Netzaktivisten Ethan Zuckerman (The system is broken – and that’s the good news) und Cory Doctorow (The NSA are not the Stasi: Godwin for mass surveillance) auf der Hauptbühne überzeugende Problemanalysen der Internet-Gesellschaft. Und Markus Beckedahl präsentierte ein Status-Update zu den zehn wichtigsten netzpolitischen Themen (Die Netzgemeinde ist am Ende. Jetzt geht’s los.): Open Source Software, Open Government, Open Education, Vorratsdatenspeicherung, Breitband, Netzneutralität, Urheberrecht, Datenschutz, TTIP & Co. und natürlich Überwachung. Mit viel gutem Willen liessen sich vor allem bei den ersten paar Themen durchaus Fortschritte verzeichnen, so Beckedahl.

An der re:publica 2015 in Berlin

An der re:publica 2015 in Berlin

Der Grundtenor der meisten Referate und Podiumsgespräche war nicht Resignation, wohl aber Ernüchterung. Es ist endgültig klar geworden, dass das Internet, in das viele Mitglieder der sogenannten Netzgemeinde grosse Hoffnungen gesetzt hatten, per se nur eine sehr mächtige Technologie ist, die man für vieles nutzen, aber auch missbrauchen kann. Und dies gilt für alle Bereiche, in denen das Internet eine Rolle spielt, also beispielsweise für Politik, Bildung, Kultur, Wirtschaft, Arbeit oder Medien.

Apropos: Der Medienwandel war ein zentrales Thema der Media Convention Berlin, welche schon früher parallel zur re:publica stattfand, dieses Jahr aber erstmals für alle re:publica-Besucher frei zugänglich war. Hier ging es um Urheberrechtsfragen, um multimediales Storytelling, um die Finanzierung und letztlich um die Zukunft des Journalismus als Ganzes. Klar wurde vor allem, dass der Wandel noch immer in vollem Gange ist und kaum noch jemand eine Prognose wagt, wie die Medienlandschaft in zehn Jahren aussehen wird.

Wie bereits in früheren Jahren waren namhafte Unternehmen an der re:publica vertreten – als Sponsoren, aber auch auf der Bühne. So setzte Microsoft einen Schwerpunkt im Bereich der neuen Arbeitswelten (Neues Europa, neue Arbeitswelt – wie, wann und wo passiert das), während IBM ihre E-Mail-Alternative Verse vorstellte (E-Mail-Wahnsinn: Zeit für eine neue Art zu arbeiten). Ein Höhepunkt der Selbstvermarktung war der Auftritt von Reed Hastings, dem charismatischen CEO von Netflix (Talk with Netflix CEO Reed Hastings). Seine Schilderung, wie aus einem US-amerikanischen DVD-Verleih ein weltweit operierender Video Streaming Service und mit eigenen Filmproduktionen wurde, war absolut packend und gewinnend. Sie liess manchen vergessen, dass man Netflix aufgrund seiner Dominanz ähnlich kritisch sehen kann wie Google, Amazon oder Apple.

Noch mehr Begeisterung schlug allerdings dem Astronauten Alexander Gerst entgegen, der über seinen Einsatz in der Internationalen Raumstation ISS berichtete. Auch er warb geschickt für sein Unternehmen (in diesem Fall die europäische Raumfahrtsorganisation ESA), indem er die medizinischen und technischen Fortschritte aufzeigte, welche wir den Experimenten im All verdanken. (Blue Dot Mission – Sechs Monate Leben und Arbeiten auf der ISS). Mit dem Internet und der digitalen Gesellschaft hatte das nur noch wenig zu tun, aber die zahlreichen Anekdoten aus dem Astronautenalltag waren höchst unterhaltsam. Wussten Sie beispielsweise, wie man gebrauchte Unterhosen aus der ISS entsorgt? Nein? Man packt sie einen alten Raumtransporter und lässt diesen in der Erdatmosphäre verglühen. Auch das lernt man an der re:publica.

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