Google Wave: Seiner Zeit voraus – oder bloss over-engineered?

Das universelle Tool für Echtzeit-Kommunikation und -Kollaboration im Web hätte Google Wave werden sollen. Und so war das Echo gross, als Google vor rund einem Jahr die neue Plattform – zunächst nur als Private Beta – lancierte. Doch die Welle verebbte ziemlich rasch, denn Wave wurde von der breiten Masse nicht akzeptiert. Und so erklärt Google nun den geordneten Rückzug aus dem Projekt:

“Wave has not seen the user adoption we would have liked. We don’t plan to continue developing Wave as a standalone product, but we will maintain the site at least through the end of the year and extend the technology for use in other Google projects. […] In addition, we will work on tools so that users can easily ‘liberate’ their content from Wave.”

Wer Google Wave selbst getestet hat, kam unweigerlich zum Schluss, dass die Plattform zwar innovativ und mächtig, aber auch sehr komplex ist. Sie verlangt ein neues Denken und viel Disziplin im gemeinsamen Arbeitsprozess – sonst verkommen die Waves zu einem chaotischen Chat mit Attachments. Nur schon zu erklären, was Wave eigentlich ist, stellt eine Herausforderung dar.

Ich habe in den letzten Jahren über 100 Projektmanagement-Tools getestet und dabei folgende Einsichten gewonnen:

  • Menschen wollen keine Tool benutzen. Sie wollen ihre Arbeit erledigen, und zwar so einfach wie möglich.
  • Menschen werden ihre bevorzugte Arbeitsweise nicht deshalb ändern, weil ein Tool einen anderen Ansatz verfolgt.
  • Jedes Zusatz-Feature begeistert 5 Prozent der Benutzer, während es 95 Prozent der Benutzer kalt lässt, stört oder überfordert.
  • Es reicht nicht, eine Software einfach zu erklären. Sie muss auch einfach sein.
  • Berechtigungskonzepte (Wer sieht was?) sind für durchschnittlich geübte Benutzer nicht intuitiv erfassbar.
  • Workflows zu etablieren und konsequent zu leben gelingt den wenigsten Projekt-Teams.

Wer sich mit diesen Prämissen auf Wave einlässt, wird rasch begreifen, dass diese kreative und technisch beeindruckende Plattform niemals eine breite Akzeptanz finden kann. Insofern ist der Entscheid von Google, den Service als solchen einzustellen und nur Elemente daraus für andere Services weiter zu nutzen, richtig. Wave steht für jene Art von Avantgarde, die zwar den Mainstream prägt, aber niemals Mainstream werden wird. Wave ist innovativ, aber nicht visionär, weil das technisch Machbare über das Benutzerbedürfnis gestellt wurde.

Google ist mit Wave fulminant gescheitert. Aber der Versuch verdient trotzdem Respekt.

P.S. Interessant sind auch die Aussagen von Gina Trapani, der (verständlicherweise enttäuschten) Autorin des “Complete Guide to Google Wave”. Ihrer Ansicht nach wurde Wave vor allem deshalb aktiv beerdigt, weil die Ressourcen für das nächste grosse Ding benötigt werden: den Facebook-Konkurrenten Google Me.

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