Die Zeit der Zeitung ist vorbei
Nein, Medienhäuser sind wirklich nicht zu beneiden. War die Publikation von Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen bis vor kurzem ein einträgliches Geschäft, so hat die Digitalisierung das Geschäftsmodell von Verlagen weitestgehend zerstört.
Viele von ihnen versuchen verzweifelt, gedruckte Zeitungen durch digitale Zeitungen zu ersetzen. Das kann im Einzelfall funktionieren, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie fundamental der Medienwandel letztlich ist. Es geht nicht darum, Papier durch Bildschirme, Druckerschwärze durch Bits und Zeitungsverträger durch Breitbandnetze zu ersetzen. Sondern es geht darum, sich vom Konzept der Zeitung zu verabschieden und neue Formen zu finden, wie Informationen organisiert und vermarktet werden.
Zeitungen sind Bundles
Warum kauft jemand die NZZ? Aus den unterschiedlichsten Gründen: Ein Leser interessiert sich für die politische Berichterstattung, der zweite muss sich in Wirtschaftsfragen auf dem Laufenden halten, der dritte konsultiert primär die Aktienkurse, der vierte liest eigentlich nur das Feuilleton, der fünfte die Stellenanzeigen, der sechste das Kino- und Theaterprogramm, der siebte die Kontaktanzeigen usw. Es gibt nicht den NZZ-Leser – es sind Menschen mit ganz unterschiedlichen Informations- und Unterhaltsbedürfnissen, die aber letztlich zur gleichen Zeitung greifen, weil sie alle diese Bedürfnisse befriedigen kann (und weil es kaum Alternativen gibt).
Aus Marketing-Sicht sind Zeitungen ein klassischer Fall von Bundles: Sie kombinieren unterschiedlichste Informationen zu einem Paket, das man nur als Ganzes erwerben kann. Der Feuilleton-Leser kauft jedes Mal den Wirtschafts- und den Sportteil mit, auch wenn diese ungelesen ins Altpapier wandern; und das einsame Herz leistet sich die Zeitung möglicherweise ausschliesslich wegen der heiratswilligen Akademiker auf den hintersten Seiten. Eine Zeitung ist dann erfolgreich, wenn sie möglichst viele unterschiedliche Interessen anspricht und so eine möglichst grosse Gesamtleserschaft erreicht. Würden ihre Leser nur einzelne Bünde oder gar nur einzelne Artikel kaufen wollen, dann wäre das Geschäftsmodell der Zeitungen nicht tragfähig. Wenn man sich überlegt, wie gedruckte Zeitungen produziert und distribuiert werden, wären personalisierte Informationsangebote aber auch gar nicht praktikabel. Und so kauft ein Zeitungsleser nolens volens immer die ganze Zeitung mit sämtlichen Bünden (und natürlich mit allen Anzeigen und Werbebeilagen).
Internet = Information à la carte
In der digitalen Medienwelt gibt es keine technischen Gründe für ein solches Bundling: Man könnte problemlos die Artikel einzelner Ressorts zu eigenständigen Publikationen kombinieren oder auch Artikel einzeln anbieten. Zwar ist der Zahlungsprozess beim Einzelverkauf etwas umständlich, trotzdem vertreiben heute viele Fachzeitschriften ihre Artikel auch einzeln. Zeitungen hingegen versuchen immer noch, ihr Bundling-Modell von der analogen in die digitale Welt hinüberzuretten. Und das, so denke ich, wird nicht funktionieren.
Das Internet erlaubt es dem Leser, aus einem weltweiten Angebot gezielt jene Informationen auszuwählen, die ihn gerade interessieren. Und er findet so oft spezialisierte Quellen, welche seine individuellen Informationsbedürfnisse besser abdecken als ein Zeitung, die für jeden Leser etwas bieten will und muss. Zudem kann man einen durchschnittlichen Medienkonsum problemlos aus kostenlosen Quellen bestreiten. Und so schrumpft die Käuferschaft einer digitalen Zeitung nach altem Muster bedrohlich zusammen.
Natürlich: Eine gut ausgewählte und aufbereitete Mischung von Informationen aus allen Lebensbereichen ist auch (oder gerade) im Internet-Zeitalter ein wertvoller Service. Insofern hat die Zeitung weiterhin ihre Daseinsberechtigung – sei sie nun gedruckt oder digital. Allerdings bekommt sie auch hier Konkurrenz von Diensten, die selbst gar nichts mehr produzieren, sondern nur noch kuratieren. Ein Beispiel dafür ist Niuws, dessen CEO vielleicht nicht ganz zufällig der ehemalige Leiter Digitale Medien der NZZ-Mediengruppe ist. Die Zeit der Zeitung ist eben doch irgendwie vorbei.
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